Zum Inhalt springen

Precht und der Faschismus

„Ich rede aus der Perspektive der Regierung, die in Kauf nimmt, dass durch diesen Angriffskrieg tausende vielleicht irgendwann hunderttausende Menschen ihr Leben verlieren in einem Krieg, den man nicht gewinnen kann. Das ist falsch. Markus, und das bleibt falsch. Die Selbstverteidigung eines Einzelnen gegen einen russischen Angriff ist nicht das Gleiche wie die Durchhalteparolen eines Präsidenten, der sein Volk in einen Krieg schickt, das es verlieren muss. Da mache ich einen großen moralischen Unterschied. Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung.“ Einwurf Markus „So..“ Precht weiter „Moment! Ein Recht auf Selbstverteidigung, aber die Pflicht zur Klugheit einzusehen, wann man sich ergeben muss.“ Markus daraufhin „Also zu wissen wann man verloren hat, meinst du?“ Richard David Precht daraufhin „Ja!“

 

Das vollständige Zitat stelle ich voran, damit mir nicht vorwerfen kann, ich hätte unvollständig zitiert. Ich stelle den Anfang umformuliert in einen anderen Kontext um die Ungeheuerlichkeit seiner Aussage und Schlussfolgerung zu verdeutlichen „Ich rede aus der Perspektive der jüdischen Selbstregierung des Warschauer Ghettos, die in Kauf nimmt, dass  durch den Widerstand tausende vielleicht ihr Leben verlieren, statt sich den Nazis zu ergeben.“ – was hier Precht macht, ist, das Recht auf Widerstand grundsätzlich abzusprechen, wenn der Gegner unzweifelsfrei überlegen ist. Er spricht Zelenskyy das Recht ab auch nur zum Widerstand aufzurufen. Sein Argument dafür ist, dass Russland übermächtig ist. Das ist letztlich philosophisch und moralisch der Totalbankrott.

Wir reden immer und immer wieder von einem „Nie wieder!“ und meinen damit, dass sich der Faschismus nicht wiederholen dürfe. Mit der russischen Überlegenheit und deren Verbrechen die Schuld Zelenskyy zuzuschieben ist in der Schlussfolgerung einfach ungeheuerlich, weil er jüdischen Widerstand gegen die Vernichtung ebenso abweisen würde. Es gibt dem Faschismus das Recht zur Zerstörung. Denn eines ist gewiss, das russische System unter Putin ist faschistisch. Der Holocaust mag in seiner Ungeheuerlichkeit sich jedem Vergleich entziehen, aber das bedeutet nicht, dass die Anfänge des Faschismus nicht  benennbar wären und nicht formulierbar sind. Umberto Eco hat 14 Thesen des Urfaschismus formuliert. https://www.zeit.de/1995/28/Urfaschismus/komplettansicht . Legt man diese Thesen zu Grunde, dann ist Putin’s Russland ganz klar faschistisch.

  1. Das erste Merkmal des Urfaschismus ist der Traditionskult.

    Mit „Unser Russland“ hat Putin einen Kult geschaffen, der entkernt ist von der kommunistischen Tradition  aber auch von der zaristischen Tadition, aber dennoch quasi als Kult dennoch sich beliebig ohne Fakten aus der Vergangenheit bedient.
  2. Traditionalismus impliziert die Ablehnung der Moderne.

    Die Wissenschaft und auch die Moderne wird gänzlich abgelehnt.  Es wird als verweichlichter Westen angesehen und die Anknüpfungspunkte gehen soweit dass auch der Biblebelt in den USA Putin deswegen feiert.
  3. Irrationalismus ist auch abhängig vom Kult der Aktion um der Aktion willen.

    Jegliche Rationalität ist dabei schon lange verlassen worden. Die Widersprüche in der Argumentation ist unzählig.
  4. Kein synkretistischer Glaube kann analytischer Kritik widerstehen.

    Wer „Unser Russland“ verrät ist ein Feind, es spielt dabei keine Rolle wie fundiert die Kritik sein mag.
  5. Zudem sind Meinungsverschiedenheiten ein Anzeichen der Vielfalt.

    Der erste Appell einer faschistischen oder vorfaschistischen Bewegung  richtet sich gegen Eindringlinge. So ist der Urfaschismus qua Definition  rassistisch.
    Vielfalt und Widersprüche werden geduldet solange es „Unser Russland“ bedingungslos unterstützt.
  6. Der Urfaschismus entstand aus individueller oder sozialer  Frustration.

    Der Zusammenbruch der Sovietunion dürfte der Hauptauslöser diesen heutigen Faschismus in Russland sein.
  7. Den Menschen, die sich einer sozialen Identität beraubt  fühlen, spricht der Urfaschismus als einziges Privileg das häufigste zu: im selben Land geboren zu sein.

    Die Ukraine wird aufgrund der Kieva Rus als Eigentum betrachtet und die Ukraine ist für diesen Verrat zu bestrafen. Das dürfte einer der Gründe für den Ukrainekrieg sein, denn die Staatlichkeit an sich ist schon Kritik an dem Traditionskult „Unser Russland“
  8. Die Anhänger müssen sich vom offensichtlichen Reichtum und der Macht  ihrer Feinde gedemütigt fühlen.

    Dass Putin das mit der Regionalmacht von Barack Obama nicht vergessen hat und ihm letztlich übel nimmt, mag hier als Beleg dienen.
  9. Im Urfaschismus gibt es keinen Kampf ums Überleben – das Leben ist  nur um des Kampfes willen da.

    Der Kommandeur, welcher die Krim einnahm wurde ausgezeichnet. Sein Heldentod vor Mariupol wird vom Putinregime nicht verschwiegen.
  10. Elitedenken ist ein typischer Aspekt jeder reaktionären Ideologie, insoweit sie im Grunde aristokratisch ist, und aristokratisches und  militaristisches Elitedenken hat eine grausame Verachtung des  Schwächeren im Gefolge.

    Hier wird mit „Unser Russland“ eine Ideologie gepflegt. Der russische Patriach spricht davon dass es russische Stärke ist gegen die Ukraine vorzugehen.
  11. In einer solchen Perspektive werden alle zum Heldentum erzogen.

    Der ehemalige Held der Sovietunion ist jetzt der Held Russlands. Die sovietischen Traditionen werden hier als russische Tradition in „Unser Russland“ fortgesetzt.
  12. Da sowohl endloser Krieg als auch Heroismus recht schwierige Spiele  sind, überträgt der Urfaschist seinen Willen zur Macht auf die  Sexualität.

    Nicht nur das Bild Putins in der Öffentlichkeit auch die Verfolgung jeglicher Homosexualität in Russland mag hier als Beleg dienen.
  13. Der Urfaschismus gründet sich auf einen selektiven Populismus, einen sozusagen qualitativen Populismus.

    Tatsächlich ist Putin nicht vollkommen egal, was die Russen denken. In der Propaganda geht es vor allem darum die Mehrheit immer auf seiner Seite zu halten. Die Entnazifizierung der Ukraine wird aus der Tradition, dass die Russen gegen Faschismus seien beschworen.
  14. Der Urfaschismus spricht Newspeak.

    Nun davon angefangen, dass Invasion und Krieg in Russland mit 15 Jahren Haft bedroht sind und nur Spezialoperation gesagt werden darf, gibt es einen besseren Beleg für Newspeak.

Kurz gesagt Russland ist ein durch und durch faschistischer Staat geworden. Precht nun spricht Zelenskyy das Recht ab, sich gegen diesen Faschismus aufzulehnen. Das find ich ungeheuerlich.

 

2 Gedanken zu „Precht und der Faschismus“

  1. Gut, dass Sie wenigstens am Schluss einsehen, dass der Holocaust in seiner Ungeheuerlichkeit sich jedem Vergleich entzieht.
    Ein Jude im Holocaust drohte die sichere Vergasung oder der Tod im Arbeitslager. Was dem ukrainischen Volk im Falle eines Unterliegens drohen würde können Sie nicht wissen. Es sei denn Sie sind Hellseher über den Ausgang des Krieges. Insofern halte ich Prechts Aussage durchaus als legitim, denn er stellte das Recht eines Menschen auf Überleben(!) durchaus als sinnvollere Alternative gegenüber dem sinnlosen Sterben eines verlorenen Krieges hervor. Es erscheint mir doch mehr als absurd, wenn Sie hier einen philosophischen und moralischen Totalbankrott sehen wollen.

    1. Sorry, es ist ein Totalbankrott – sowohl Bucha als auch die Deportation von Kindern durch Putins Schergen im Donbass als auch die Folterkeller der Separatisten erfüllen alle Kriterien eines Genozid. Darüber hinaus die gesamte Propaganda von Putins Russland inklusive des russisch-orthodoxen Patriarchen der von der Gemeinschaft der Orthoxen Kirchen als häretisch bezeichnet wird. Das es noch keinerlei völkerrechtlichen Urteile dazu gab, ändert nichts an den Ungeheuerlichkeiten. Das es nicht vergleichbar ist, aber wenn Putin so weiter macht vergleichbar werden könnte, lässt das Grauen des letzten Jahrhunderts wieder auferstehen. „Nie Wieder“ wird dann zur Heuchelei, wenn man den Raschism duldet.

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.